Bayerische Geschichte
print


Navigationspfad


Inhaltsbereich

Tagungsbericht: Die höfische Gesellschaft im 18. Jahrhundert

Zwischen Regierung, Repräsentation und Integration

26.03.2015

Veranstalter: Stefan Schnupp und Anja Lochbrunner, Institut für Bayerische Geschichte/Historisches Seminar der LMU München
Datum, Ort: 26.03.2015, München
Bericht von Isabella Hödl

Der Workshop „Die höfische Gesellschaft im 18. Jahrhundert. Zwischen Regierung, Repräsentation und Integration“ widmete sich aktuellen Forschungen zum Hof und der höfischen Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Ein Großteil der Vorträge beschäftige sich mit dem Münchner und dem Wiener Hof.

Nach der Begrüßung und einer kurzen Einführung durch Ferdinand Kramer diskutierte STEFAN SCHNUPP (München) die Definitions- und Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den Begriffen „Hof“ und „Regierung“. Daneben erläuterte er den Forschungsstand und wies auf das Desiderat von Forschungen zu Höfen im 18. Jahrhundert hin. In der neueren Hofforschung beschäftige man sich aktuell überwiegend mit gesellschaftlichen Gruppierungen und Einzelpersonen, oder mit Fragen der Repräsentation, Legitimation und Kommunikation.

ANJA LOCHBRUNNER (München) widmete ihren Vortrag dem Münchner Hof in der Regierungszeit Karl Theodors, der als Kurfürst von der Pfalz Kurbayern erbte und ab 1778 von München aus beide Länder im vereinigten Kurfürstentum Pfalzbayern regierte. Lochbrunner behandelte die Größe des Münchner Hofes, seine Ämterstruktur und schließlich die Herkunft des Hofpersonals. Dabei stellte sie fest, dass auch Ende des 18. Jahrhunderts die Größe des Hofs ein wichtiges Mittel der fürstlichen Repräsentation geblieben sei. Unter dem Einfluss der Aufklärung führte Karl Theodor zahlreiche Umstrukturierungsmaßnahmen zur Minderung der barocken Pracht durch, um Sparsamkeit, Kunst- und Wissenschaftsförderung und Wohltätigkeit in den Vordergrund zu stellen. In der Erörterung der Frage, inwieweit der Hof unter Vereinigung des Mannheimer und Münchner Personals zur Integration des neuen Gesamtstaates beitrug, kam Lochbrunner zu dem Ergebnis, dass die durch den Umzug Karl Theodors von Mannheim nach München mitgebrachten Pfälzer Hofangestellten in allen Ebenen des Münchner Hofstaats präsent waren.

IRENE KUBISKA-SCHARL und MICHAEL PÖLZL (Wien) sprachen über die FunktionsträgerInnen am Wiener Hof im 18. Jahrhundert. Der Wiener Hof zählte auf Grund seiner Größe von über 2.000 Angestellten zu den wichtigsten Arbeitgebern. Bislang habe sich die Forschung verstärkt der Analyse der adeligen Elite am Wiener Hof gewidmet, wobei die aus der Bürger- und Unterschicht kommenden Hofangestellten vernachlässigt worden seien. Die Studie von Kubiska-Scharl und Pölzl ist eingebettet in das dreijährige FWF-Projekt „Personal und Organisation des Wiener Hofes 1715-1806" am Institut für Österreichische Geschichtsforschung unter der Leitung von Martin Scheutz. Ziel sei eine Analyse der Karrieremöglichkeiten des Personals am Wiener Hof. Als Quellengrundlage für die prosopographisch angelegte Studie dienen die handschriftlichen Hofparteienprotokolle sowie die gedruckten Kaiserlichen Hof- und Ehrenkalender.

OSKAR TERŠ (Wien) referierte zu seinem Dissertationsprojekt „Wandel in den Begräbnistraditionen des Wiener Hofpersonals. Die Gruftanlage von St. Michael zu Wien“. Nach einem kurzen Überblick über die Entstehungsgeschichte der Gruft ab den 1560er Jahren konzentrierte Terš sich auf die Analyse des bestatteten Hofpersonals im Verlauf des 18. Jahrhunderts. Dabei betonte er stets den Vergleich mit der Gesamtzahl der Bestatteten. Interessante Aspekte bot die separate Betrachtung der Belegungen der einzelnen Grüfte. Demnach findet man in einigen Teilgrüften im Gegensatz zu anderen überdurchschnittlich viele bestattete Hofangestellte oder Familienangehörige. Daneben verwies Terš auf den repräsentativen Aspekt der Ausstattungsmöglichkeiten von Begräbnissen, der sich beispielweise über die Anzahl der Priester, die Auswahl der Musik, Länge des Ausläutens und vielen weiteren Details unterschiedlich aufwendig gestalten ließ.

YASMIN RESCHER (Wien) analysierte Konstanten und Veränderungen am Wiener Hof am Beispiel des Obersthofmarschallamts. In einem ersten Schritt erläuterte Rescher die Kompetenzen des Obersthofmarschalls, die sich in Jurisdiktion, Policeywesen und Quartierwesen gliedern lassen. In diesen Bereichen diente der Obersthofmarschall als Ansprechpartner für die Belange der höfischen Funktionsträger. Während die Bereiche des Policey- und Quartierwesens im 17. und 18. Jahrhundert in Hinblick auf ihre personelle Besetzung konstant blieben, stellte Rescher deutliche Veränderungen im Bereich der Jurisdiktion, dem Kanzlei- und Gerichtswesen fest. Während ab 1670 bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts hinein der Bereich der Jurisdiktion kontinuierlich ausgebaut wurde, brachte das Jahr 1749 eine starke Zäsur. Kaiserin Maria Theresia entzog dem Obersthofmarschall das ihm zugeordnete Jurisdiktionswesen und ordnete es neuen Strukturen unter. Diese Neuordnung sorgte jedoch bei den höfischen Funktionsträgern für reichlich Verwirrung, konnte sich nicht durchsetzen und hatte zur Folge, dass bereits 1763 die Gerichtsbarkeit wieder dem Obersthofmarschallamt untergeordnet wurde.

FLORIAN NOTTER (Regensburg) widmete sich mit der fürstbischöflichen Hofkammer in Freising einer Verwaltungsbehörde, die zwischen Hof und Regierung angesiedelt war. Die Hofkammer als Zentralbehörde gilt als ein wichtiges Element zur Machtkonzentration des frühneuzeitlichen Staates. Notter wies daraufhin, dass eine Trennung von Hof und Regierung dabei nicht gezogen werden könne, da sie organisatorisch verschränkt und personell stark in beide Elemente, also Hof und Regierung, verwoben war. Die Hofkammer war als Kollegial-Organ konzipiert und rangierte in der Hierarchie der Zentralbehörden an unterster Stelle. Notter erläuterte zentrale Kompetenzen der Hofkammer. Sie lagen in der Organisation und Verwaltung der Finanzmittel des Hochstifts, der Kontrolle der Finanzen aller nachgeordneten, rechnungslegenden Ämter, dem Ausgaben-Management, aber auch der Generierung von Einnahmen. In der Reformphase des Hochstifts zwischen 1788-1802 verlor die Hofkammer an Kompetenzen durch die Gründung einer übergeordneten Hofkonferenz und Finanzkommission.

STEFAN SCHNUPP (München) referierte über das Gesandtschaftswesen unter Kurfürst Karl Theodor. So stellten Diplomaten in ihrer Funktion als Repräsentationsfiguren auswärtiger Herrscher zwar eine unabhängige Personengruppe dar, galten aber dennoch als unverzichtbarer Teil des Hofes. Ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts formalisierte sich die Stellung der Diplomaten am Hof. Ihre Funktion als Berichterstatter und politische Verhandlungsträger wurde immer wichtiger, dagegen nahmen ihre repräsentativen Aufgaben ab. Diese Entwicklungen beträfen auch die Gesandten in und aus Pfalzbayern in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Pfalzbayern unterhielt Gesandte bei den fünf Großmächten, ebenso am Heiligen Stuhl sowie innerhalb des Alten Reiches, beispielsweise am Reichstag in Regensburg. Auch umgekehrt entsandten europäische Staaten Gesandte nach München. Die Bedeutendsten waren dabei die österreichische und französische Gesandtschaft. Am Ende seines Vortrages skizzierte Schnupp am Beispiel des kaiserlichen Gesandten in München und des pfalzbayerischen Vertreters in Wien, deren Möglichkeiten sich in den jeweiligen Höfen zu integrieren und deren unterschiedlicher Bedeutung vor Ort.

Zu dem Forschungsprojekt „Außenbeziehungen Bayerns“, welches am Institut für Bayerische Geschichte entwickelt wird, referierte RUDOLF HIMPSL (München). Die Datenbank erschließt konsularische und diplomatische Daten seit dem 17. Jahrhundert – Referenzpunkt bildet der Westfälische Friede von 1648 – bis an die unmittelbare Gegenwart heran. In die Datenbank aufgenommen sind sowohl bayerische Vertreter im Ausland, als auch ausländische Vertreter in Bayern. Zu jedem Vertreter werden Angaben zu seiner Aufenthaltsdauer und Mission sowie ausgearbeitete Biogramme geboten– sofern diese durch die derzeitig vorhandene Forschungsliteratur und Archivalien erarbeitet werden konnte. Verstanden als work in progress soll die Datenbank laufend um neue Informationen erweitert werden und 2016 online geschaltet werden.

TOBIAS SCHMID (München) gab mit seinem Referat „Das Tagebuch des Theodor von Ingenheim. Ein Spiegel adeliger Lebenswelt in Bayern“ einen Einblick in den (Hof-)Adel um 1800. Theodor von Ingenheim (1733-1807) war die längste Zeit seines Lebens als Regierungsrat und Forstmeister von Burghausen tätig, kam jedoch immer wieder in Kontakt mit dem Münchner Hof. Sein Tagebuch öffne vergleichbar zur Studie von Barbara Kink den Blick auf die Wechselbeziehungen zwischen dem adeligen Landleben und dem Münchner Hof, beispielsweise durch Reisen und Jagdaufenthalte des Kurfürsten, zu dessen Ehren Theodor von Ingenheim in Burghausen Feste ausgerichtet habe. Unmittelbare Kontakte ließen sich auch durch das Georgsritter-Ordensfest oder durch den Kammerherrendienst am kurfürstlichen Hof in München herstellen.

ALEXANDER ESTEL (Erlangen) stellte mit seinem Vortrag „Karl Theodor Graf zu Pappenheim (1771-1853) eine Adelskarriere zwischen Altem Reich und Königreich Bayern“ seine Forschungen zur wirtschaftlichen und kulturellen Statusentwicklung fränkischer Adelsfamilien im 19. Jahrhundert vor. Nach 1806 erfuhr die Hoflandschaft gravierende Veränderungen, das höfische Leben konzentrierte sich vermehrt auf München; der Hof bekam in politischer Hinsicht Konkurrenz durch Kabinett und Landtag; zugleich öffnete er sich für neue Gruppen, wie beispielsweise Bürger oder Protestanten. Doch symbolisch, so betonte Estel, behielt der Hof für den Adel seine Bedeutung zur Statusentwicklung auch im „langen“ 19. Jahrhundert und über die politisch-gesellschaftlichen Umbrüche hinaus. Dies zeige sich besonders auch am Beispiel Karl Theodor Graf zu Pappenheim, der sein Leben zwischen Landsitz und Hof organisierte und seinen gesellschaftlichen Platz als mediatisierter fränkischer Standesherr im 19. Jahrhundert neu auslotete.

Workshopübersicht:

Einführung

9:00 Uhr

Ferdinand Kramer: Begrüßung
Stefan Schnupp: Einführung

Sektion 1: Hofpersonal im 18. Jahrhundert

Moderation: Stefan Schnupp

9:20 Uhr Anja Lochbrunner (München)
Herrscherrepräsentation und Integration am Münchener Hof. Der vereinigte Hofstaat Kurfürst Karl Theodors von
Pfalzbayern 1778-1799

9:40 Uhr Irene Kubiska-Scharl/Michael Pölzl (Wien)
Große Hoffnungen... FunktionsträgerInnen am Wiener Hof im 18. Jahrhundert

10:10 Uhr Oskar Ters (Wien)
Wandel in den Begräbnistraditionen des Wiener Hofpersonals - Die Gruftanlage von St. Michael zu Wien

10:30 – 11:00 Uhr Diskussion

11:00 -11:30 Uhr Kaffeepause

Sektion 2: Verwaltungsbehörden zwischen Hof und Regierung

Moderation: Tobias Schmid

11:30 Uhr Yasmin Rescher (Wien)
Konstanten und Veränderungen am Wiener Hof. Die Kompetenzen und Personalstrukturen des Obersthofmarschallamtes im 18. Jahrhundert

11:50 Uhr Florian Notter (Regensburg)
Die fürstbischöfliche Hofkammer in Freising. Organisation, Kompetenzen, Personal

12:10 – 12:40 Uhr Diskussion

12:40 – 14:20 Uhr Mittagspause

Sektion 3: Hof und Gesandte

Moderation: Britta Kägler

14:20 Uhr Stefan Schnupp (München)
Diplomaten am Hof. Auswärtige und eigene Gesandte unter Kurfürst Karl Theodor von Pfalzbayern.

14:40 Uhr Rudolf Himpsl (München)
Datenbank zu Bayerns Außenbeziehungen

15:00 – 15:30 Uhr Diskussion

15:30 – 16:00 Uhr Kaffeepause

Sektion 4: (Hof-)Adel um 1800

Moderation: Anja Lochbrunner

16:00 Uhr Tobias Schmid (München)
Das Tagebuch des Theodor von Ingenheim - Ein Spiegel adeliger Lebenswelt in Bayern

16:20 Uhr Alexander Estel (Erlangen)
Karl Theodor Graf zu Pappenheim (1771-1853) - Eine Adelskarriere zwischen Altem Reich und Königreich Bayern

16:40 – 17:10 Uhr Diskussion

17:10 – 17:30 Uhr Abschlussdiskussion

Veranstaltungsort

Bibliothek des Instituts für Bayerische Geschichte der LMU, Ludwigstraße 14 - 80539 München


Servicebereich